Es hat eine Weile gedauert, aber nun ist die Idee einer einheitlichen Service auch in Deutschland angekommen. Sie wird derzeit auch in Schweden diskutiert, ebenso UK (211) oder Frankreich mit 3939 “Allô, Service Public”. In den USA wurde die 311 für non-emergency Servicenummern bereits 1997 für den entsprechenden Zweck auf Bundesebene reserviert. Es gibt eine ganze Reihe von sogn. N-11 Nummern, darunter ist 911 für Notfälle sicherlich die bekannteste Nummer. Die Nutzung von 311 erfolgt aber eher auf kommunaler (z.B. NYC) oder County (vergleichbar mit einem Landkreis) Ebene, je nachdem wer die 311 reserviert hat. Dies bedeutet, dass wenn County A das Konzept bereits umgesetzt hat ich dort mit einem Servicemitarbeiter verbunden werde, aber sobald ich in das benachbarte County fahre und die Nummer dort wähle, nur ein Band läuft oder eine automatische Weiterleitung an etwa die Zentrale Telefonstelle der lokalen Verwaltung erfolgt. Die erste Anwendnung von 311 gab es in Chicago. New York City stellt derzeit mit einem Anrufvolumen von über 15 Mio pro Jahr und über 200 Mitarbeitern die weltweit größte Umsetzung dar. Öffentliche Call Center sind nichts Neues, weder in den USA noch in Deutschland, doch dass 311 Konzept in seiner Gesamtheit ist anders und würde diverse Veränderungen mit sich bringen. Das Land NRW hat mit CallNRW bereits grob dieses Konzept umgesetzt. Ich halte den Begriff “Bürgernotruf” allerdings für unklug, weil die falschen Assoziationen hervorgerufen werden. Da dies etwas den Rahmen sprengen würde, versuche ich im folgenden Abschnitt auf einige der bereits im Internet auffindbaren Anmerkungen einzugehen:
- Wo? Bund, Land oder Kommune
Wie man in den USA und anderen Ländern sehen kann, macht 115 auf lokaler oder darüber geordneter Ebene sehr viel Sinn.
- Eine weitere “Behörde” oder Institution die uns hilft die anderen Behörden zu verwalten.
Diese Aussage ist richtig. Allerdings muss das 115 Center sehr eng mit allen Behörden zusammenarbeiten, was hilft die institutionell verankerten Barrieren zu überwinden.
- Beschwerdehotline?
Bei 115 würde es nicht nur um Beschwerden gehen, vielmehr kann der Bürger hier jegliche Fragen stellen, einige Behördendienstleistungen direkt erhalten und natürlich auch Kommentare oder Beschwerden abgeben. Diese werden u.a zentral im IT System gespeichert, analyisiert und natürlich auch an entsprechende Personen z.B. Arbeitsgruppenleiter weitergeleitet.
- Anrufvolumina?
Diese können höchst unterschiedlich ausfallen, sind aber stetig steigend. Eine versteckte Nachfrage nach Mitteilungsbedürftigkeit und Hilfe von den Bürgern wird aufgedeckt. Gefahr ist, dass diese zu überwältigend ist und zusätzlich die Prozesse im Hintergrund noch nicht verändert wurden. Nehmen wir z.B. das Schlagloch. Wenn ich anrufe und mich darüber beschwere, dann habe ich eine gewisse Erwartung an die Geschwindigkeit der Erledigung. Durch gesteigerte Nachfrage kann aber nun etwa das Straßenbauamt in ein Dilemma geraten. Nicht nur für die Privatwirtschaft gilt, dass +70% der Anfragen der Informationsgewinnung dienen und meist gleich sind, d.h. entlastet so eine “Hotline” auch die Mitarbeiter in den Behörden.
Insbesondere während größeren Notfällen, würden viele Personen auch auf 115 zurückgreifen. Dies entlastet auch die 110/112 sowie siehe im nächsten Punkt.
- Was haben die Behörden davon?
Die Behörden bekommen einen besseren, Echtzeit Überlick über die Stimmungen der Bürger, Situation in den Städten, ebenso über Probleme und Trends. Dies ist sowohl für das Management der Verwaltung (z.B. Mißstände aufdecken, Performance Management, Personen zur Verantwortlichkeit zwingen), ebenso wie für die Politik sehr interessant. In NYC wurde durch die Daten aus den Anrufen etwa eine neue Verordnung für Lärm erlassen, ebenso wurden Budgets und Dienstleistungsverantwortungen umverteilt.
- Umsetzungen
Sicherlich braucht man ein Call Center, aber viele Aufgaben werden von der IT und nicht Personen übernommen, z.B. Ordnen der Anliegen, Weiterleitung der Anliegen. Wichtig ist, dass die Inhalte der “Knowledge Base” für die Call Center Mitarbeiter speziell angepasst werden (d.h. Sprache, etc.). Ebenso müssen die Prozesse analysiert und entsprechende Durchlaufzeiten bekannt sein. Dies sollte aber bereits im Rahmen von eGovernment Vorhaben geschehen sein. Wenn es im sogn. “Backoffice” nicht stimmt und kein kontinuierlicher Support von den politischen und administrativen Führungskräften gibt, dann wird so ein 115 Projekt kein großer Erfolg. Für die nötigen Veränderungen ist ihre Führungsfähigkeit von zentraler Bedeutung.
- Gläserner Bürger?
Für Anfragen spielt der Name der Bürger keine Rolle, außer er hat ein Anliegen und möchte zurückgerufen werden. Für Anmerkungen wie etwa Schlaglöcher spielt der Bürger ebenfalls keine Rolle. Wichtig ist der Ort des Schlaglochs was in keinem Zusammenhang mit dem Bürger stehen muss. Dennoch werden natürlich Anfragen, usw. im System gespeichert und so dass man doppelte Informationen - es können auch 10 Leute über das gleiche Schlagloch, den gleichen hängenden Ast, usw. informieren.
Andere Eigenschaften
- N-11/115 spart direkt keine Budgets für die Behörden! Es stellt einen weiteren Kostenfaktor dar! Allerdings können die Daten helfen an anderer Stelle Gelder einzusparen, Effizienz steigern oder einfach die Bürgerorientierung/Customerservice.
- 311 ist und 115 sollte kostenfrei sein
- 115 stellt ein weiteren Kanal neben dem Bürgeramt oder der Website zum Bürger hin dar.
- 115 schafft mehr Transparenz
- überbrückt die “Digital Divide”, d.h. ermöglicht auch nicht Internetusern einen leichten Zugang zu Behörden.
- viele Menschen bevorzugen für komplexe Fragen nach wie vor den menschlichen Kontakt
Durch die Transparenz, belegbaren Zahlen/Fakten steigt eher das Verständnis der Sachbearbeiter für die Bürger. Ebenso wird durch die Vorfeldanalysen, Trainings in Kundenservice und das nachgelagerte “Performance Management” ein anderer Wind durch die Verwaltungen wehen. Das kommt sehr unbemerkt, aber es kommt und das liegt vor allem an den Daten. Ebenso verfügen die Mitarbeiter im 115 Call Center nach einer Weile über ein besseres Verständnis der Bürgerbelange und die Komplexität bei verwaltungsübergreifenden Vorgängen, als die Mitarbeiter in den einzelnen Behörden. Das Silo wird sozusagen überbrückt.
Die Stadt NYC hatte 14.000 Durchwahlen, nun nur noch eine Nummer ! (die durchwahlen gibt es natürlich trotzdem noch für diejenigen die es anders wollen) und die immer komplexer werdende Verwaltung die ja bereits im Rahmen von Reformen (z.B. durch Public Private Partnerships) noch diffuser wird, ist für die wenigsten zu verstehen. Auch Verwaltungsmitarbeiter oder Bürgermeister nicht.